Dieses Doppelbild, das zweifellos nach 1488 in Lüttich hergestellt wurde, wurde der Lambertuskathedrale von Henri ex Palude – lateinischer Name für „aus den Sümpfen“ – geschenkt. Bereits ein Kanoniker des Kapitels dieser bedeutenden Kirche, wurde er in diesem Jahr ihr wichtigster Kantor. Er starb 1515. Ergänzt wird es durch das Zeichen dieses Amtes – den Stab mit Vogel. Er ließ sich hier mit jugendlichen Zügen abbilden, mit seinem Wappen und der Szene des Martyriums des heiligen Lambert. Sie findet gemäß der mittelalterlichen ikonografischen Tradition in einer Hauskapelle statt. Der heilige Bischof im Gebet wird tödlich von einem Soldaten verletzt, der ihm einen Stoß mit einem Speer versetzt. Seine beiden Gefährten erlitten das gleiche Schicksal, der eine (links) unter den Schlägen einer „Guiserne“, der andere (rechts) einer „Badelaire“. Auf dem Altar sieht man ein einen vergoldeten Altaraufsatz – in dessen Mitte der thronende Christus. Auf dem anderen Flügel ist die Krippenszene dargestellt: Die Ruhe dieser Komposition steht im Gegensatz zu den dramatischen Szenen der anderen Tafel. Ein verfallenes Gebäude dient als Stall. Auf einer Wiese im Hintergrund erfahren die Schäfer von einem Engel die Botschaft von der Geburt des Erlösers. Die Säule in den Ruinen bezieht sich auf die „Offenbarungen“ der heiligen Birgitta von Schweden: gemäß diesen hatte die Jungfrau an sie gelehnt ihr Kind geboren. Zum heiligen Josef: Wenn er die Flamme der Kerze mit seiner Hand schützt, geschieht dies, um symbolisch seine Rolle in der Heiligen Familie zu zeigen.
Die Rückseite dieser beiden Flügel ist mit gräulichen Szenen bemalt. Es handelt sich um eine Art optische Täuschung, die die Skulptur nachahmt. Dort sind einerseits das Urteil des Salomon und andererseits Christus und die Ehebrecherin dargestellt.
Auch wenn dieses Werk in Lüttich entstanden ist, zeigt es doch, inwieweit die Ausführung der Tradition der flämischen Malerei in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entspricht. Sie ist auf Modelle von Gérard David, Petrus Christus oder Dirk Bouts zurückzuführen.