1.Das Palais und die Résidence Curtius
„Das Haus Curtius verdient es – obwohl es das Gebäude eines einzelnen Privatmannes ist – zu den schönsten in Europa gezählt zu werden“, schrieb de Hurges auf dem Weg nach Köln.
Das Palais Curtius, welches dem Museum seinen Namen gegeben hat, ist das symbolträchtigste Gebäude am Gelände. Seinen Namen verdankt es einer der reichsten Persönlichkeiten der Stadt: Jean de Corte (1551-1628), welcher seinen Namen zu Jean Curtius latinisierte.
Damals war das Gebäude Teil eines sehr umfangreichen architektonischen Ensembles, welches neben dem „Palais“, das als Gästehaus und Laden diente, das Wohnhaus der Familie in der Féronstrée sowie auch zahlreiche Nebengebäude umfasste, wo sich die Wohnungen der Hausangestellten, die Stallungen sowie eine Galerie und ein Garten befanden, deren Pracht und Prunk bereits im 17. Jahrhundert sehr bekannt waren.
Dieses Ensemble wurde am Standort eines alten Domherrenhauses von Saint-Barthélemy, welches Jean Curtius 1592 erworben hatte, errichtet. Die Arbeiten, die wahrscheinlich ab 1597 begonnen wurden, wurden zwischen 1603 und 1604 abgeschlossen. Davon zeugen die Daten, die in den Dekors der Innenkamine im ersten Stock eingetragen wurden.
Nach dem Tod von Jean Curtius im Jahr 1628 wurde das Grundstück in zwei Teile geteilt: Einerseits in das „Palais“, das an den Mont de Piété übertragen wurde, sowie andererseits in die Residenz, die bis 1734 im Besitz der Familie verblieb.
Nachdem sie durch mehrere Hände gegangen waren, kaufte die Stadt Lüttich die beiden Einheiten zurück: die erste im Jahr 1902 und die zweite 1921. So wurde das Eigentum von Jean Curtius etwa dreihundert Jahre nach seinem Tod wieder zusammengeführt. In der Zwischenzeit, zwischen 1904 und 1909, wurde das "Palais“ durch den Architekten Lousberg, welcher den Turm vollständig wieder aufbaute, restauriert.
Dieses Gebäude ist mit seinen Kreuzfenstern mit sechs oder sogar neun Teilen, mit dem Kalkstein und den Ziegeln unter einem hohen, reich dekorierten und vergoldeten Dach mit Schieferplatten typisch für die maasländische Architektur des 17. Jahrhunderts. Die Maskaronen, die die Fassade schmücken, ergänzen dekorative und symbolische Elemente zur Pracht der Innendekorationen. Die aus Tuffstein der Maas gefertigten Maskaronen, welche verschiedene Motive, Porträts und Wappen, fantastische Tiere, religiöse oder satyrische Szenen darstellen, erhielten bei der Restaurierung durch die Architekten Lesage und Satin im Jahr 2001 ihre ursprüngliche Farbgestaltung zurück.
Jean Curtius: ein Vermögen durch mehr als einen Schuss ins Blaue
Jean de Corte, genannt Curtius, war ein Lütticher Industrieller, der mit dem Handel von Waffen und Salpeter ein beträchtliches Vermögen aufbaute.
Aus einer Brabanter Familie stammend, erbte Jean de Corte durch seine Heirat mit Pétronille de Braaz, der Tochter eines reichen Lütticher Händlers, verschiedene Liegenschaften, darunter das Schloss von Waleffe in der Nähe von Lüttich. Zudem war er Inhaber oder Herr über zwölf Ländereien, darunter jene von Tilleur, Hermée, Oupeye und Vivegnis.
In der Nähe des Kohlebergwerks und der Pulverfabrik, die er in Chaudfontaine besaß, baute er seine Karriere auf. 1595 kaufte er eine Mühle am selben Ort – die Curtius-Mühle – um daraus einen großen Komplex für die Herstellung von Schießpulver zu machen. Vor allem baute er hier eine dicke Mauer und errichtete einen Bunker mit Wassergräben. Im Jahr 1605 erwarb er die Insel Ile de Ster, die durch den Kanal und die Weser gebildet wurde. Am Ufer der Maas errichtete er weitere Mühlen, Schmieden und Walzwerke.
Während der Herrschaften von Philipp II. und Philipp III. wurde Jean Curtius zum „Commissionnaire général d’approvisionnement de guerre“ („Allgemeinen Kommissionär für Kriegsausrüstung“) ernannt und baute sich nach und nach durch den Handel mit Schießpulver, auf welches er bei der Lieferung für die spanischen Armeen das Monopol innehatte, ein Vermögen auf. Dieses Geld ermöglichte es ihm, die Schlösser von Oupeye und Grand Aaz zu erwerben und seinen eigenen Wohnsitz in Lüttich zu bauen, welcher zum aktuellen Musée Curtius werden sollte.
Als Spanien mit seinen beiden stärksten Feinden, Frankreich und England, und dann mit den Vereinten Provinzen im „Zwölfjährigen Waffenstillstand“ (1609) Frieden schloss, ging es mit dem Geschäft von Jean Curtius bergab. Er ging nach Spanien und 1617 ließ er sich in Liérganes in Kantabrien nieder, wo er eine Schmiede aufbaute und Schmiede aus dem Lütticher Land für sich arbeiten ließ. Die hohen Ausgaben, die ihm hier entstanden sowie der verringerte Ertrag seiner Lütticher Unternehmen führten dazu, dass er seine Nutzungsrechte der Industrien in Liérganes 1628, also kurz vor seinem Tod in einer Herberge der Stadt, verkaufen musste. In den folgenden Jahren begann die Schmiede von Liérganes aufzublühen und wurde zu einer der wichtigsten Fabriken für Geschütze des spanischen Reiches: der Königlichen Artillerie-Fabrik von La Cavada.